Die Entdeckung der Zwischenräume

Zwischenräume. Beim Gehen in der warmen Frühlingsluft entdecke ich, wie ein kleines Büschel Grashalme sich den Weg aus einem trockenen Erdhügel bahnt. Die Erde ist an dieser Stelle rissig, und genau aus diesem Zwischenraum schiebt das junge Grün seine Triebe hervor. Dabei wird mir bewusst, wie einfach und doch elementar diese Art von Zwischenraum ist. Aus einem scheinbar trockenen Erdhaufen entpringt junges Leben.

 

So ist wohl unser Leben gestrickt: Jeder Raum bietet Raum für Neues. An dem Zaun, an dem ich vorbeikomme, sind einige Latten kaputt. Der gehört wohl repariert, denke ich. Und gleichzeitig aber kann ich so einen Blick in den Garten des Besitzers werfen oder die Katze kann durch das Loch klettern und findet ihren Weg.

 

Überall sehe und bemerke ich plötzlich Zwischenräume. Wenn meine Lungen die Luft einatmen, dann dehnen sich die Rippenbögen aus und geben dem Sauerstoff Platz, sich dort auszubreiten. Wenn der Wind durch meine Haare streicht, dann kann er das nur, weil die Haare so locker und durchlässig sind. Und das Profil der Autoreifen ist es, das im Winter das Fahrzeug in der Spur hält.

 

Ohne Zwischenraum würde es eigentlich ja gar kein Leben geben. Denn wenn das Wasser nicht durchlässig genug wäre, um Sauerstoff darin speichern zu können, hätte sich wohl kein Leben darin entwickelt. Hätten sich keine Einzeller zu jungem Leben formen können. Und ohne Athmosphäre? Sie hält uns das Weltall fern. Sonst würden wir ebenso nicht existieren und unsere Erde wäre ein Planet wie die Millionen anderen, auf denen kein Leben möglich ist.

 

Das Nachdenken über diese Zusammenhänge macht mich euphorisch: Ja, so funktioniert es, DAS ist DIE Erkenntnis! Natürlich weiß ich, dass es perfekte naturwissenschftliche Erklärungen und Erkenntnisse für all das gibt, doch für mich ist es eine tiefe philosophische Betrachtung. Sie ermöglicht mir einfach, dankbar zu sein für das, was ich bei diesem Spaziergang erleben darf. Sie lässt mich mit einer gewissen Art der Ehrfurcht auf das Gras blicken, das so klein und verletzlich und jung und grün aus der Erde wächst.

 

Angestaubte Überlegungen? Vielleicht, aber sie lassen mich sehr zufrieden sein und geben irgendwie Kraft.

 

 

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Was wäre die Welt ohne Gänseblümchen?

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