Würde

Am Heimweg heute mit dem Bus las ich, aufgesprayt an einer Hauswand, das Wort WÜRDE. Einige Ecken weiter las ich es noch einmal und an der nächsten Haltestelle ein drittes Mal. Es scheint immer der gleiche Verfasser zu sein. Warum sprayt er dieses Wort "WÜRDE"? Welcher Mensch steht hinter der Spraydose? Jedenfalls denke ich über dieses Wort nach, während der Bus sich im Verkehr staut.

 

Würde als Konjunktiv verwendet - was würde ich, wenn...? Was würde ich tun, wenn ich reich wäre? - eine so alltägliche und naheliegende Frage. Würde ich mein Geld spenden, es verschwenden, auf Weltreise gehen? All die Möglichkeiten zu durchdenken, die sich bieten würden, ist lustvoll. Das Spiel mit den Möglichkeiten, "Was wäre wenn..." - es führt mich aber letztlich in eine Sackgasse. Alles bleibt beim Alten. Der Motor für Veränderung liegt nicht in "ich würde", der liegt in "ich will". Ich beobachte durchs Fenster die Regentropfen, die in Rinnsalen an der Scheibe entlanglaufen.

 

DIE Würde: nein, ich schaue nicht in Wikipedia nach, was dazu darüber steht. Handyschauen beim Busfahren verursacht außerdem Übelkeit... mache mir meine eigenen Gedanken. Die Würde des Menschen. Sie ist eines der wichtigsten Dinge - ein Menschenrecht, unantastbar ist es, dieses "Recht des Menschen auf Würde". Und doch, wie oft begegnet mir im Alltag eine Herabwürdigung. Jemanden schlecht zu machen, das geht leicht über die Zunge. Zufällig habe ich mir zuletzt das Buch von Reinhard Haller "Das Wunder der Wertschätzung" gekauft. Weil es einfach gut tut, Wertschätzung zu erfahren. Es ist auch gar nicht schwer, diese jemandem zu zeigen. Man muss nur die Angst zur Seite schieben, sich dadurch vielleicht lächerlich zu machen. Es geht um echte Wertschätzung. Und die ist heilsam, auch oder gerade in unserem täglichen Miteinander.

 

Aktuell: Die "Lernsieg"-App zur Bewertung von Lehrern und Schulen.

Die Motivation für Herrn Hadrigan war, ein internes Bewertungssystem innerhalb seiner Schule zu entwickeln, es scheiterte und veranlasste ihn dazu, diese App zu entwickeln. ("Der Standard", 20.11.19) Die Wogen gehen hoch, pro und contra flammen auf - und er muss sie wegen zuvieler Hassnachrichten wieder vom Netz nehmen. Wie steht's hier mit der Würde? Die bleibt ganz schön auf der Strecke, wie so oft im Netz. Die Anonymität ist für "unwürdiges" Verhalten ja eine richtige Spielwiese. Dabei in der Sache: wer gibt Schülern eine faire Möglichkeit, sich gegen Herabwürdigungen, gegen unfaire Behandlungen von Lehrern zu wehren? Lehrer seien keine Dienstleister, liest man in den Kommentaren, die man einfach so bewerten könne. Nein? Aber was sind sie? Haben Sie als Wissensvermittler nicht eine gewisse Dienstleistung zu erbringen? Sie werden vom Staat, von den Steuern, von uns dafür bezahlt. Ich will die Belastungen des Lehrberufes nicht kleinreden, aber für mich stehen sie sehr wohl im Dienst der Allgemeinheit und handeln auch im öffentlichen Interesse.

 

Ich würde einfach gerne wissen, was sich der Sprayer gedacht hat. Ich hoffe, dass die "Würde" im Alltag nicht im Konjunktiv bleibt, schreibe ein kleines Elfchen und danke dem Sprayer für seine Anregung.

 

Wenn

ich könnte

würde ich die

Welt retten. Lieber klein

anfangen.