Es muss im Leben mehr als alles geben

"Higgelti Piggelte Pop! oder "Es muss im Leben mehr als alles geben"

 

In Kindertagen schenkten mir meine Großeltern dieses Buch. (Erst vor kurzem erfuhr ich, dass es auch Maurice Sendac war, der das wunderbare Buch "Wo die wilden Kerle wohnen" geschrieben und illustriert hat.)

 

Damals erschienen mir die Zeichnungen unheimlich, doch der Titel prägte sich mir ein.

 

Der Satz "Es muss im Leben mehr als alles geben" begleitet mich seit einer gefühlten Ewigkeit und kommt mir an Weggabelungen oder in verschiedenen Augenblicken meines Lebens immer wieder unter.

 

Higgelti Piggelti Pop handelt von Jennie, einem kleinen Hund, der alles hat und der sich auf die Suche nach etwas Neuem macht; der sein gewohntes, geliebtes und bequemes Daheim verlässt und dabei gar nicht weiß, was neue Erfahrungen sind, sie aber machen möchte.

 

"Es muss im Leben mehr als alles geben." Wir haben genug von allem, sind satt und wohlgenährt, haben ein sicheres Dach überm Kopf und wissen zu Weihnachten gar nicht, was wir uns eigentlich wünschen sollen, weil wir eh schon alles haben. Und das sollten wir aufgeben? Freiwillig?

 

Es erstaunt mich gar nicht, dass mir, gerade jetzt, dieser Satz wieder einfällt.

Weil wir, gerade jetzt, viel verloren haben.

 

Vielleicht war mir gar nicht bewusst, wieviel mir unsere bisherigen Lebensgewohnheiten und sozialen Errungenschaften bedeuteten. Unsere Welt steht Kopf. Vieles ist nicht mehr so, wie es noch vor 10 Jahren, vor einem Jahr, vor einigen Monaten war.

 

Der Klimawandel, der unsere Erde immer mehr bedroht - und dem wir ohnmächtig gegenüber stehen.

Der Terror, der uns in der ganzen Welt bedroht - und dem wir ohnmächtig gegenüber stehen.

Das Corona-Virus, das uns alle bedroht, das unser ganzes soziales und gesellschaftliches Gefüge auf den Kopf stellt und dem wir ohnmächtig gegenüber stehen.

 

Ich möchte aber nicht klein beigeben, ich möchte mich nicht von dieser niederdrückenden Stimmung einfangen lassen, ich möchte nicht das Gefühl haben, ausgeliefert zu sein.

 

Es wird mir bewusst, welchen Schatz es für mich bedeutet, sich nahe sein zu können: einander die Hand zu reichen, sich zu umarmen, gemeinsam zu feiern, zu arbeiten, im Kaffeehaus einen Cappuccino zu genießen, Schneeflocken auf der Zunge zergehen zu lassen, ohne Angst zu sein. Kleinigkeiten?

 

Ja, es muss im Leben mehr als alles geben. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen, neuen Erfahrungen. Ich liebe es zu lernen, Menschen zu begegnen, in dieser Welt zu leben.

 

Und gleichzeitig macht mich der Blick zurück bzw. ins Jetzt dankbar für das, was wir haben, lässt mich sehnen nach dem, was wir verloren haben und was ich mir wünsche: Nähe, Gerechtigkeit, Gesundheit, Respekt, Wertschätzung.