Der Geruch von Seife

... und was er mit der Rede

des Bundespräsidenten zu tun hat

Freitag, 27. Jänner 2023 - mein frei-tag.

 

Gemütlicher Morgenkaffee. Zeitunglesen. Zeit haben. Freiheitsgefühl spüren. Und mich fragen, was ich an diesem Tag alles unterbringen möchte. Viel - zuviel - also beschließe ich, mir weiter Zeit zu nehmen und weiter Zeitung zu lesen. Freiheitsgefühl stellt sich wieder ein.

 

Der Bericht über die Rede zur Angelobung des Bundepräsidenten Van der Bellen. Warum nicht? Schließlich hab ich mir auch dir Rede Obamas zu seiner Angelobung (so lange ist das her - Jänner 2009?) angesehen. Unvergesslich auch Amanda Gorman bei Biden mit "The hill we climb" 2021.

 

Antrittsreden können was. Sie vermitteln einen besonderen, einen ernsthaften Augenblick, sie tragen ein Stück Wahrhaftigkeit in sich. Tagespolitik bleibt außen vor. Zeichnen ein Bild unserer Zeit.

 

Van der Bellens Rede berührt mich. So viel Ernsthaftigkeit und Wahrhaftigkeit (was für ein starkes Wort), sein Humor und ein wenig Ironie blitzen durch. Applaus und Standig-ovations am Schluss (außer von einer Partei, die keiner will, die aber so viele wählen).

 

Seine Rede berührt. Berührt mich, weil er sich nicht scheut, klar Stellung zu beziehen. Er stellt die Themen in den Kontext ihrer Bedeutung für uns als Gesellschaft und Gemeinschaft. Er macht die Wichtigkeit spürbar. Er zeigt auf, was und wo es zu handeln gilt - in der aktuellen Dringlichkeit. Aber:

OHNE Angst zu schüren, OHNE Feindbilder zu zeichnen, OHNE Misstrauen auszusprechen. Er schafft es, die Hoffnung, den Mut und die Zuversicht in den Vordergrund zu rücken. Er ruft zum Handeln auf. Jetzt. JedeN einzelneN von uns.

 

Das ist ihm gelungen. Ernsthaft und ehrlich.

Seine Rede lässt mich ein wenig stolz werden, so einen Bundespräsidenten zu haben.

 

Und was hat das nun mit dem Geruch von Seife zu tun?

Kennst du die Seife aus Olivenöl und Lorbeer aus Aleppo? Ich hab sie kurz vor Weihnachten in einem kleinen Laden hier bei uns entdeckt. Und wenn ich aktuell in die Dusche steige, empfängt mich der herbe und würzige Duft dieser Seife.

 

Im Sommer begegnete mir diese Seife im Lentos in Linz bei der Ausstellung von Iris Andraschek. Dort betrat ich einen Raum, der vollgesogen mit diesem Geruch war. Andraschek zeigte in dem Raum, in dem 1000 oder mehr Seifenstücke aufgeschichtet waren, einen Film, der die Ursprünglichkeit und die Mühe und die Sorgfalt und die Langsamkeit dieser Hand-Produktion darstellt. Die Bilder, wie die Männer das Öl der Oliven pressen, den Lorbeer auskochen, die Seifenlauge mischen, von Hand die Fässer schleppen, sie in Wannen gießen, die Masse glattsteichen, trocknen lassen, in Stücke schneiden, stempeln - sie sind in meinem Kopf. Auch die von den Frauen, die sie zu kunstvollen Türmen aufschichten und schließlich verpacken, bereit zum Versand in die Welt. Alles Stück für Stück, einfach und liebevoll zur Arbeit.

 

Ich verwende diese Seife mit Bedacht. Ihr Geruch hat für mich was mit Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit zu tun.

Heute früh beim Duschen vermischen sich meine Gedanken über die Rede Van der Bellens mit denen über die Seife aus Aleppo.

 

Mein frei-tag liegt immer noch vor mir. Ich werde die Zeit mit Bedacht füllen. Und freue mich gerade darüber, dem Rotkehlchen beim Knacken eines Sonnenblumenkerns am Baum vor meinem Fenster zuzusehen.

PS: und das alles hat rein gar nichts mit einer Seifenoper zu tun...

 

Hier einige Links:

zur Rede van der Bellens

zur Rede Barack Obamas von 2009

Und hier der Vortrag Amanda Gormans "The Hill we climb",

und hier über das Projekt von Iris Andraschek und die Seife aus Aleppo